Berliner Morde: Fünf Krimis (German Edition) by Alfred Bekker & Marten Munsonius & Margaret Kassajep & Lence Vio
Autor:Alfred Bekker & Marten Munsonius & Margaret Kassajep & Lence Vio [Bekker, Alfred]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CassiopeiaPress
veröffentlicht: 2015-06-17T22:00:00+00:00
20
Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, ehe ich wieder zu mir kam. Alles erschien mir seltsam unwirklich. Wie ein Alptraum, von dem man dumpf ahnt, dass er nicht real ist. Aber dieser Alptraum war real. Leider. So schwer es mir in diesem Moment auch fiel, aber ich musste jetzt meine fünf Sinne beisammenhalten. Für Tina konnte ich nichts mehr tun, aber wenn ich etwas Glück hatte, konnte ich vielleicht noch meine eigene Haut retten.
Ich atmete dreimal laut keuchend aus.
Eine alte Konzentrationsübung.
Dann legte ich Tina zurück auf den Boden und erhob mich. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, sie mir nicht noch einmal anzusehen, aber schließlich tat ich es doch. Der morbiden Faszination durch den Tod konnte sich niemand entziehen, auch ich nicht, der ich als Legionär in Kriegsgebieten dem Tode mehr als einmal direkt ins Gesicht geschaut hatte.
Tina...
Mit ihren geschlossenen Augen wirkte sie fast wie schlafend. Ich konnte noch immer kaum fassen, dass sie nicht mehr aufwachen würde.
Nie mehr.
Ich schluckte.
Ich ging hinaus in den Flur. In der Küchentür lag der Killer. Ich sah ihn mir zum ersten Mal wirklich an. Er sah aus, als könnte er immer noch nicht wirklich begreifen, dass er tot war.
Ich beugte mich über ihn, schlug sein Jackett zur Seite und durchsuchte die Innentaschen. Ich fand eine Brieftasche samt Führerschein, ausgestellt auf den Namen Hellmut Deschner. Das Foto stimmte überein, aber trotzdem hatte ich bei dem Führerschein den Verdacht, dass er falsch war.
Ich nahm das Kleingeld aus der Brieftasche und steckte es ein. Zweitausend Euro, der größte Teil in Hundertern und Zweihundertern.
Deschner, oder wie auch immer er hieß, konnte es nichts mehr nützen, aber mir ersparte es einen Gang zur Bank. Ich hatte jetzt ein paar Dinge zu tun, die wichtiger waren. Und zwar sehr schnell.
In Deschners Hosentaschen fand ich neben einem benutzten Taschentuch noch einen Wagenschlüssel mit dem BMW-Emblem als Anhänger. Ich würde mir den Wagen noch genau unter die Lupe nehmen, falls ich ihn fand.
Dann ging ich und packte meine Sachen. Es war nicht viel. Nicht viel mehr als das, womit ich eingezogen war. Es passte in einen Koffer.
Schade, dachte ich, als ich wieder im Flur stand. Ich hatte mich hier zu Hause gefühlt. Aber es gab keinen anderen Weg für mich. Wie sollte ich einem Polizisten zum Beispiel die beiden Leichen in der Wohnung erklären? Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich einen Mordauftrag angenommen hatte und irgendjemand offenbar etwas dagegen hatte, dass ich ihn auch ausführte und deswegen versuchte, mich vorher auszuschalten.
Außerdem würde derjenige, der diesen Bluthund namens Deschner auf mich gehetzt hatte, sicher nicht so schnell aufgeben. Sobald dieser Jemand davon erfahren hatte, dass ich seinem Todesengel das Licht ausgeblasen hatte, würde er den nächsten Mörder mit meiner Beseitigung beauftragen.
Das Schlimme war, dass ich keine Ahnung hatte, wer mein Feind war. Ich war wie ein Blinder, der versucht, einen Boxkampf zu gewinnen; einer, der die Schläge seines Gegners immer erst bemerken kann, wenn sie seinen Schädel schon getroffen haben. In was für eine miese Situation war ich da nur geschliddert!
Ich sah mich noch einmal um.
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